Schlagwort: Vater

Äpfel in einer Schale mit einer Schlange mit Mosaik

Apfelmus

Mein Freund steht in der Küche und kämpfte einen unfairen Kampf gegen die Quitten, die nach dem Entsaften, wo leider fast nix dabei herauskam, nun durch die flotte Lotte gejagt werden müssen. Dank der blausäurehaltigen Kerne kann man die Überreste nicht einfach schreddern und so vermusen.

Das Ganze erinnert mich an meine Kindheit. Da hängte mein Vater oft gekochte Äpfel (oder auch Ebereschen) in einem Küchentuch zum Abtropfen über einen Topf und später dann stand ich mit diesem Siebgerät mit der Holzkurbel am Waschbecken und rührte und rührte. Die Ausbeute war meist nicht wahnsinnig ergiebig, aber ich hatte schon das Gefühl, dass ich im Schweiße meines Angesichts einen ganz erheblichen Beitrag zum Wohlbefinden und Überleben der Familie beigetragen habe.

Für die Wintermonate hatten wir stets genug Apfelmus (oder Vogelbeergrütze, da kam noch Sago hinein). Unsere Mägen waren damals wohl aus Kruppstahl, denn die Säure konnte ihnen nichts anhaben. Vor Zucker hielt mein Vater, der Zahnarzt, nicht sonderlich viel. Wenn ich heute von so etwas nur probiere, werde ich schon bestraft, gleich fängt mein Magen an zu brennen und schmerzen als hätte mich einer mit einem Schwert entzweigeschnitten.

Dann halte ich es lieber wie der frustrierte Lover der Bio-mio-Maid Ute (von Kopf bis Fuß in Jute) von EAV und geh zum Metzgermeister und sch… auf diesen Apfelkleister.

© 2024 Manuela Hoffmann-Maleki (Letteratour) – Ich. Einfach unver-besserlich.

mein Freund, der Baum

Ein Gluckern im Baum

Manon ging bedächtig durch den Obstgarten. Sie bemühte sich, keine nassen Schuhe zu bekommen, die waren aus Wildleder. Außerdem rot. Wenn irgendetwas daran nass wurde, sah das ganz schwarz aus. Und nachher fuhren sie ja zu den Großeltern. Da sollte sie doch schön aussehen. Sie hatte den rotkarierten Schottenrock mit der großen Sicherheitsnadel an, der ihn seitlich zusammenhielt, eine weiße Bluse mit dämlichem steifen Kragen und oben ein rotes Gilet mit Knöpfen aus ebenfalls roten Marienkäfern. Alles hatte ihre Mutter entworfen und ihre Oma für sie genäht. Sie passte ziemlich haarscharf hinein, bewegen war kaum mehr drin.

Da hörte sie aus einem der Bäume ein seltsames Geräusch. Es klang, als schüttle jemand ganz langsam immer wieder eine Flasche, die nicht ganz voll war. Es gluckste, als stiegen große Blasen auf. Manon konnte sich keinen Reim darauf machen, was da wohl in diesem Baum los war. Er war nicht allzu hoch, hatte unten ein paar Äste schon bald in Bodennähe. Da konnte man ja mal kurz drauf steigen und nachschauen. Das musste jetzt sein. So etwas hatte sie ja noch nie gehört!

Von den untersten beiden Ästen aus konnte sie allerdings auch nicht erkennen, was weiter oben vor sich ging. Das Geräusch war immer noch da. Sie hielt sich an den nächsten Ästen fest und schwang sich auf den darüber liegenden Ast. Ein Klimmzug war nötig, und dann musste sie sich mit den weiß bestrumpfhosten Beinen am Baum anklammern und ein bisschen hochrobben, denn zwischen diesen Ästen und den nächsten war der Abstand leider ein bisschen zu groß. Endlich hatte sie die Krone erreicht.

Sie spähte in den Baum hinein und sah, dass er innen hohl war und mit Wasser gefüllt, bis ganz oben hin. Der Himmel spiegelte sich wunderschön blau in diesem Wasserloch, und von Zeit zu Zeit stieg eine große Blase an die Oberfläche und verursachte das Geräusch. Manon war ganz hingerissen von dem musikalischen Baum, denn die Blasen klangen nie ganz gleich. Manche sandten einen tiefen Ton aus, manche einen hohen.

„Manon, wo bist du? Wir fahren jetzt!“, erklang die Stimme ihrer Mutter ungeduldig über den Garten zu ihr hin. Oh je, das hatte sie ja ganz vergessen! Traurig rutschte Manon vom Baum hinab, was ihr leider einen Riss unter der Achsel ihrer Bluse einbrachte. Außerdem hatte sie rote Kratzspuren, die durch die Strumpfhose hindurchsickerten. Die Sicherheitsnadel war aufgegangen und der Rock hatte sich vollständig verschoben, so dass ihr Bauch in der Stumpfhose zu sehen war. Der Rock wurde nur noch notdürftig durch das schwarze Lackgürtelchen an ihr gehalten. Als sie noch einen Blick zurück in den Baumwipfel warf, sah sie dort oben ihre weiße Haarschleife im Wind flattern. Oh je! Und ihre Hände waren auch ganz schwarz von der Borke des Baums.

Irgendwie hatte sie das ungute Gefühl, dass es gleich Ärger geben würde. Aber das war es wert gewesen! Sie hatte einen singenden Baum entdeckt. Wenn sie von den Großeltern zurückkam, wollte sie gleich wieder zu ihm gehen und ihm zuhören. Der Baum sollte nun ihr bester Freund sein. Sie lief schnell noch einmal zurück zu ihm und umarmte ihn. „Bis später, mein lieber bester Freund!“, flüsterte sie ihm zu. „Ich muss jetzt weg! Warte hier auf mich bitte!“

Als sie ihr Donnerwetter abgeholt hatte, und im Auto, frisch eingekleidet mit einem anderen ungeliebten Sonntagsgewand (einem orangefarbenem sehr kurzen Kleid mit einer Brillantbrosche in Schleifenform) und nun angetan mit einer schwarzen Strumpfhose, damit nicht etwa auch auf dieser Blutflecken zu sehen wären, musste sie erzählen, was der Grund für den schrecklichen Zustand ihrer Kleidung gewesen war. Die Fahrt dauerte eine Stunde. Sie konnte nicht auskommen.

Der Vater war entsetzt von dem, was sie berichtete. Der Baum war also innen faul. In der folgenden Woche fällte er den Baum, und aus der besten Freundschaft aller Zeiten wurde somit nichts. Manon hasste ihn jahrelang für seine Freveltat.

© 2024 Manuela Hoffmann-Maleki (Letteratour) – Ich. Einfach unver-besserlich.

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