Nach den gestrigen Exzessen am Lenkrad machte sich heute Nacht irgendwas im Bereich des Nackens ganz fürchterlich bemerkbar, so dass ich stundenlang wach lag und mir überlegte, was genau mein Körper mir jetzt sagen will. Wollte er mich nur darauf hinweisen, dass so viel Serpentinen die Muskulatur nicht unerheblich beanspruchen? Oder dass ich mit meinen Absprunggelüsten einfach drüber hinweggegangen bin, dass ich ja keine gesunde Mittzwanzigerin bin, sondern ein angehendes altes Wrack mit Aufenthaltsberechtigung auf Zeit? Quasi prophylaktisch schon mal zeigen, wie das wäre, wenn man sich noch einen Halswirbel ausrenkt zu all dem kaputten Rest dazu?
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Und wieder hat die Insel über meinen Kopf hinweg entschieden, was ich zu wollen habe. Ihr erinnert euch an meine erzwungenen Vulkanbegegnungen. Heute durfte ich zunächst noch frei entscheiden und zum Markttreiben in Puntagorda fahren. Ich habe allerdings mehr fotografiert als gekauft. Das lag auch hauptsächlich daran, dass es da insbesondere Obst, Gemüse und Kuchen gab, weniger andere Sachen – nur ein bisschen Kunstwerkhandwerk und bedruckte T-Shirts. Frische Maracujas kaufte ich aber gerne. Mit einem Stück Kuchen und einen Ginseng-Kaffee mit Meringue-Eis saß ich dann glücklich nach langem Anstehen auf der Terrasse und fühlte mich durch den Ginseng gleich unsterblich.
Heute war mal wieder Frühaufstehertag, jedenfalls früh für mich, denn 9 Uhr ist normalerweise noch meine Schlafenszeit. Ich habe es aber hingekriegt und war dann um 11 am Hafen, um mich mit der heutigen Malgruppe von Leon zu treffen. Wir machten mal wieder kurzweilige Übungen im Gehen und Pollersitzen und kritzelten wild herum, um uns locker zu machen. Eine Teilnehmerin hatte Geburtstag und es gab sogar Sekt und selbstgebackene Quiche. Wie schön! Derart beschwingt ließ Leon uns dann auf die Schiffheit los. Irgendeine Szene aussuchen und dann loslegen. Ich habe mich heute tatschlich ordentlich reingesteigert und die gesamte Zeit nur mit einem einzigen Bild von einem im Hafen liegenden grünen Ausflugsschiff verbracht. Damit werden Delphinbeobachtungstouren gemacht. Leon kam immer wieder vorbei und gab mir Tipps, wo ich noch etwas verändern konnte, bis die Zeit dann um war. Besprechung!
An jenem Morgen betrat der Hirsch mit seinem stolzen Gang, hocherhobenen Hauptes den Waldrain und stakelte und tänzelte unbeschwert in gewohntem Selbstbewusstsein über die geheime Glitzerwiese, auf deren Taumantel gerade die allererste Ahnung des Tages fiel. Er war ganz der Herr jedweden Reviers dank seiner uneingeschränkten Selbstermächtigung, die er sich vor langer Zeit erteilt hatte, als sein Geweih gerade das 8. Ende entwickelte, dessen zarte Knospe damals noch so klein war, dass sie juckte. Mit einem Schlag hörte das Vogelgezwitscher auf, die Luft wurde ganz leer, kühl und dunkel. Man merkte, der Eigenbrötler war den anderen Waldbewohnern nicht ganz geheuer.
Sie bauten jedoch darauf, dass er ein seltener Besuch bleiben möge, der ansonsten ja im Reich der Nebelbänke umherzog und sie völlig in Frieden ließ. Sie hatten lange für ihre Freiheit gekämpft und wollten sich nicht einschränken lassen dadurch, dass der Hirsch plötzlich womöglich den Vollbesitz der waldlichen Heilkräfte, Ruhe und Weisheit als sein Geburtsrecht ansah. Sicherheitshalber verstummten sie also lieber und mucksten sich eine Weile nicht, bis er vorbeigezogen war.
In diesem diffusen Zustand warteten sie mucksmäuschenstill in ihren Verstecken in der Natur und hofften, er werde den Wunder-Samen nicht entdecken, der nur hier wuchs, und der für sie alle der Grund ihres Aufenthalts in genau diesem Waldstück war. Der Hirsch, der nicht von hier war, könnte einfach so daran vorbeigehen, das war ihrer aller Hoffnung, während sie atemlos vorsichtig von der Zuschauerbank hinter dem nächsten Baumstamm hervorlinsten, und sofort wieder hinter diesem verschwanden, damit er sie nicht bemerke.
Und wirklich hatten sie alle Glück: der große Störenfried zog gruß- und geruchlos weiter, ohne den Wunder-Samen zu entdecken und ohne das Tor zu durchschreiten, das hier ganz weit offen steht in die Welt der uneingeschränkten Klarheit, des Neubeginns und der Veränderung und das sie dir und mir beschützen und offenhalten. Kaum war der 16-Ender vorbeigezogen, kamen alle hervor und die Gemütlichkeit und Geselligkeit kehrte zurück. Sie wussten, gleich würde die Sonne hervorkommen und das Leben in Leichtigkeit weitergehen.
© 2024 Manuela Hoffmann-Maleki (Letteratour) – Ich. Einfach unver-besserlich.
Es war Sommer, Sommer in der Stadt. Wie im Cliché aus den Songs aus meinem bayerischen Umfeld flanierte ich an der Münchner Leopoldstraße entlang, tropfte mit meinem Eis kleine Pfützchen auf den Boden, und meine luftige dunkelrosa Hose unter dem hellrosa Blazer flatterte ein bisschen im lauen Abendwind. Meine Haare wehten hinter mir wie eine Wolke und ich wusste, dass ich auf meinen hohen Schuhen der Traum manches Mannes schlafloser Nächte war. Alles an mir war wohlgewachsen und saß genau an Ort und Stelle.
Ich setzte mich wie ausgemacht auf einen freien Platz im Café unter den Bäumen und beobachtete, wie teure Nobelkarossen vorfuhren und verbotswidrig parkten. Man konnte sich das ja leisten. Endlich kam mein Liebster angeschlendert. Seit neuneinhalb Monaten waren wir bereits zusammen. Lässig mit der Jeansjacke an einem Finger über der Schulter schlenkernd kam er heran. Er hatte so eine fantastische Figur, und seine grünen Augen erstaunten mich immer wieder mit dem vollen schwarzen Wimpernkranz. Er hatte herrlich lockige schwarze Haare, einen feschen Bart und wunderbar braungebrannten Haut. Es war mir so ein Bedürfnis, ihn immer und immer wieder wissen zu lassen wie toll ich ihn fand.
Er schaute nur alibimäßig in die Speisekarte, denn er wusste bereits, was er bestellen würde. Natürlich wieder die Penne al Gorgonzola. Immer dasselbe. Er konnte sich wirklich reinsetzen, so gut schmeckten sie ihm. Während wir einträchtig vor uns hinschnabulierten und ich ihn verliebt ansah und mich an seinem guten Aussehen ergötzte, bekam er plötzlich einen sehr ernsten Gesichtsausdruck. Und dann sagte er zu meinem Entsetzen: „Sag mir bitte ja nie wieder, du liebst mich. Ich kann es nicht mehr ertragen. Ich sehe es dir an, dass es gleich wieder aus deinem Mund kommt. Und das turnt mich so ab. Sag mir lieber, ich lieb dich nicht, dann ist alles in Ordnung. Übrigens, morgen fahr ich nach Pforzheim, dann komm ich so schnell nicht wieder.“
„Wieso, was ist in Pforzheim?“
„Meine Frau.“
„Du hast eine Frau?“
„Ja, und gestern ist unser Mädchen auf die Welt gekommen. Rosanna soll sie heißen. Ich muss hin und für die beiden da sein.“
„Euer Mädchen? Ist es von Dir?“
„Ja klar. Von wem soll es denn sonst sein?“
© 2024 Manuela Hoffmann-Maleki (Letteratour) – Ich. Einfach unver-besserlich.
Puh, heute war ein anstrengender Tag! Sehr schön, aber für mich außergewöhnlich fordernd. Leon, der Zeichenlehrer ist nämlich für alle möglichen Überraschungen gut. Die heutige bestand darin, dass ich wohl eher flüchtig gelesen habe, was auf dem Programm stand und dann auch dachte, das wird nicht weit weg sein, und man kann mit dem Auto hinfahren. Ich trat also blauäugig in meinem grünen Sommerkleid an. Als ich vor dem Wegfahren in den Kofferraum schaute, fiel mir auf, dass mein Mantel nicht da drin war, und auch die warme Jacke nicht, die ich am Abend immer brauche, wenn Spaghettiträger nicht mehr ausreichen, aber da mir nicht bewusst war, was heute bevorsteht, nickte ich nur zufrieden mit mir selbst, dass ich wenigstens die Turnschuhe und eine dünne Jacke da liegen sah. Wieder zur Wohnung hoch wollte ich nicht nochmal, der steile Weg nach oben ist nicht so mein Ding, und ich wollte auch rechtzeitig da sein.