Wieder mal ist das Meer ganz verstört, aufgeschreckt durch die Wasserfluten, die nachts den Himmel verlassen haben, während Tazacorte friedlich schlummerte. Da klopfte es nicht nur auf mein Dach und an mein Fenster ohn‘ Unterlass, sondern da wurde auch das selbstreinigende Meer von oben heftigst geduscht und zieht nun ziellos mit seinen Wellenkämmen in jegliche Richtung, ganz ohne Exerzierordnung und Eleganz. Die im Sonnenlicht silbern schimmernden Wogen weit draußen leuchten zu mir herüber und zeugen von der Verwirrung dieses kleinen Zipfels des großen Ozeantuchs hier vor meiner palmerischen Haustür. Dabei weiß das Meer doch gar nichts vom Weltgeschehen. Es spiegelt das Durcheinander, das gerade herrscht jedoch auf seine unnachahmliche Art und hat wie auch wir Menschen im Moment keine genaue Vorstellung davon, wie es jetzt weitergehen wird.
Kategorie: La Palma Seite 1 von 7
Nachdem ich heute morgen wieder ein bisschen den Pinsel geschwungen habe, um eine Kritzikratzi-Schnellskizze, die ich am Hafen in einer Minute nach Anweisung erstellt hatte, aufzuhübschen, fuhr ich ratzfatz los, um in El Paso ins Seidenmuseum zu gehen, denn der Wetterbericht war sehr wenigversprechend, und da wollte ich gerne was zu tun haben. Die seltsame Straße, die mein Navi mich da hochführt („folgen sie 800 m dieser Straße“ – die schnurgerade sehr steil nach oben geht und tausendundein tiefes Schlagloch hat), schreckt mich inzwischen nicht mehr. Runterwärts bin ich sie heute sogar freiwillig gefahren, obwohl es andere Wege gab. Die von der Autovermietung hatte mir gesagt: „Unbefestigte Straßen dürfen sie doch nicht fahren!“ als ich ihr berichtet hatte, dass es hier so viel Serpentinen und schlechte Straßen gibt. Ich bin halt ein Flachland-Stadtkind. Bei uns kommt sowas nicht vor, dass man über 800 m im ersten Gang bergauf kriechen muss. Befestigt sollte man diese theoretisch asphaltierten Straßen schon nennen. Sie sind halt wohl einfach jahrzehntelang nicht mehr repariert worden.
Romero kam leise ins Zimmer, er bewegte sich fließend und frei im Hintergrund und doch schien es, als fülle er das ganze Zimmer. Wo man auch hinsah, Romero war auch schon da. Nicht ganz deutlich zu erkennen, aber man ahnte doch, dass er es war. Nein, er war nicht an jedem Ort gleichzeitig, so schnell bewegte er sich nicht, aber er schaffte es, seine Präsenz überall zu zeigen. In schwellenden Bewegungen durchfloss er fast den Raum. Es war eine Lust, ihm zuzusehen und manch einer biss sich auf die Lippen, weil er in seinem Innersten sich etwas regen fühlte, was eigentlich nicht sein sollte.
Da prellte die Tür auf und Pepe platzte herein. Pepe, die Knalltüte, lautstark, nicht zu überhören und nicht zu übersehen. Schrill gewandet in schreiend rot-gelbe Papageienfarben mit schwarzen Akzenten. An Pepe war irgendwie immer alles zu viel. Er krakelte, wenn er sprach, er polterte, wenn er sich bewegte. Tolpatschig war er auch. Die Hausherrin hielt sicherheitshalber ihre Vase mit den Strelitzien fest, als er in diesen Teil des Raumes trampelte wie ein Holländer mit Holzschuhen. Schon äußerte er etwas Freches mit schneidender Stimme, als er die Bergungsversuche der Dame bemerkte. Zwei Herren im Raum fanden seinen Auftritt schon etwas heftig und fingen vor Empörung an unisono zu niesen, konnten fast nicht mehr aufhören damit und schneuzten sich wie abgesprochen gleichzeitig kräftig in großformatige graukarierte Stofftaschentücher.
Was für ein Glück, dass in diesem peinlichen Augenblick Manzana mit ihrer friedfertigen, versöhnend wirkenden Art den Raum betrat. Sie strahlte eine feine Lieblichkeit aus, und alle Herzen hoben sich, als sie sie bemerkten. Sie lächelte alle freundlich aus ihrem herzförmigen Gesicht an, und ihr leichtes, weites pastellgelbes Sommerkleid schwang von ihren rundlichen Hüften, während sie ihre zierlichen Beine in den hübschen Riemenschuhen elegant aufsetzte und sich, ohne großen Aufwand einen Weg durch die Partygäste auf die andere Seite des Raumes bahnte. Ein aprikotfarbiges Bolero aus Seidenstoff hing stylisch auf halber Höhe über ihren schmalen Schultern. Ein jeder machte ihr ungefragt Platz, und so hatte sie leichtes Spiel, das Sofa auf der gegenüberliegenden Seite mit Beschlag zu belegen und den Raum den ganzen Abend im Auge zu haben. Die Herren hatten ihr – ganz die Kavaliere – bereitwillig Platz angeboten, und so setzte sie sich feingliedrig und anmutig, schlug ein Bein leicht vor das andere und zog die wohlgeformten Waden seitlich zum Sofa heran, was elegant und mondän wirkte. Ohne viel zu unternehmen, hatte sie den ganzen Raum bezaubert.
Jemand schlug vor, die Fenster hinter den bodenlangen Vorhängen zu öffnen, denn mit diesen drei Persönlichkeiten in einem Raum brach so manchem ein feiner Schweiß aus. Eine lange unterdrückte, leicht animalische Gier hatte sie alle erfasst und gleichzeitig das seltsame Gefühl, hier sous-vide in diesem dämmrigen, nur mit einigen Kerzenleuchtern erhellten Raum langsam im eigenen Saft gegart zu werden und beim Abendessen, das in Bälde stattfinden sollte, womöglich in einer Terrine mit goldverzierten Porzellangriffen in der Tischmitte zu landen.
© 2024 Manuela Hoffmann-Maleki (Letteratour) – Ich. Einfach unver-besserlich.
Den heutigen Tag habe ich mir ganz langsam und genügsam um die Ohren geschlagen. So dass es nur ein bisschen geschlappt hat, aber nicht wehgetan. Ich war nämlich schon fast im manuelitischen Stillstand begriffen. Fast. Um 12 Uhr bin ich immerhin noch zum Rastro-Flohmarkt in Argual aufgebrochen, nun zum dritten Mal. Um zu schauen, ob meine bestellte Kette jetzt mal fertig wäre. Vorletztes Mal hatte die Dame es vergessen, letztes Mal war ich nicht da. Heute sagte sie mir in anklagendem Ton, das sei aber schon so viele Wochen her, dass ich sie bestellt hätte. Aber sie hatte die Kette gemacht. Sie ist schön geworden und passt perfekt zu meinen Sachen.
Die heutigen Aushäusigkeiten habe ich schon früh hinter mich gebracht. Ich musste doch nach Los Llanos, um mein Auto umzutauschen. Ich hatte ja auf ein Upgrade spekuliert, nachdem dieser Wagen, den ich hatte, bereits zweimal eine Störung verzeichnete, aber was ich bekam, war genau derselbe Fahrzeugtyp, jedoch mit dem Upgrade, dass der „Neue“ 20.000 km mehr auf dem Buckel hat. Sonst alles wie gehabt. Nur, dass die Kupplung anders eingestellt ist, und man diese fast ganz loslassen muss, um endlich eine Bewegung zu produzieren, weshalb ich am Anfang im ersten Gang da stand wie der Ochs am Berg, das Auto wollte einfach nicht fahren. Ach so, na, dann fährt er doch. Da muss ich mich für die Serpentinenfahrten jetzt umstellen, aber das wird bald in Fleisch und Blut übergehen.
Drauf pfeifen in drei Variationen
Tadaa, da bin ich wieder, falls mich jemand vermisst haben sollte! Habe es doch geschafft, wieder aufzustehen, nachdem ich mich – total ausgepowert wie mein Handy – hingelegt hatte. Jetzt ist es halb 12 nachts. Gute Zeit zum Aufstehen! Noch ist es jedenfalls heute. Erledigt habe ich: Zahlung meines kostspieligen Strafzettels in der Cajasiete. Das hat ganz schön lange gedauert. Ich hatte vermutet, dass das dort Standard wäre, dass jemand kommt und so etwas von denen erwartet, aber anscheinend bin ich die Einzige, die in Tazacorte Strafzettel bekommt. Und dann hat der Angestellte meine ganzen Vornamen für meine ganzen Nachnamen gehalten und musste alles erst mal von mir absegnen, dann stornieren lassen und dann noch mal von vorne machen. Puh. Jetzt bin ich schuldenfrei. Wenn auch mir immer noch keiner Schuld bewusst.