Autor: Manuela Hoffmann-Maleki Seite 4 von 11

Hirsch mit Kind

Möge dieser Hirsch an uns vorübergehen

An jenem Morgen betrat der Hirsch mit seinem stolzen Gang, hocherhobenen Hauptes den Waldrain und stakelte und tänzelte unbeschwert in gewohntem Selbstbewusstsein über die geheime Glitzerwiese, auf deren Taumantel gerade die allererste Ahnung des Tages fiel. Er war ganz der Herr jedweden Reviers dank seiner uneingeschränkten Selbstermächtigung, die er sich vor langer Zeit erteilt hatte, als sein Geweih gerade das 8. Ende entwickelte, dessen zarte Knospe damals noch so klein war, dass sie juckte. Mit einem Schlag hörte das Vogelgezwitscher auf, die Luft wurde ganz leer, kühl und dunkel. Man merkte, der Eigenbrötler war den anderen Waldbewohnern nicht ganz geheuer.

Sie bauten jedoch darauf, dass er ein seltener Besuch bleiben möge, der ansonsten ja im Reich der Nebelbänke umherzog und sie völlig in Frieden ließ. Sie hatten lange für ihre Freiheit gekämpft und wollten sich nicht einschränken lassen dadurch, dass der Hirsch plötzlich womöglich den Vollbesitz der waldlichen Heilkräfte, Ruhe und Weisheit als sein Geburtsrecht ansah. Sicherheitshalber verstummten sie also lieber und mucksten sich eine Weile nicht, bis er vorbeigezogen war.

In diesem diffusen Zustand warteten sie mucksmäuschenstill in ihren Verstecken in der Natur und hofften, er werde den Wunder-Samen nicht entdecken, der nur hier wuchs, und der für sie alle der Grund ihres Aufenthalts in genau diesem Waldstück war. Der Hirsch, der nicht von hier war, könnte einfach so daran vorbeigehen, das war ihrer aller Hoffnung, während sie atemlos vorsichtig von der Zuschauerbank hinter dem nächsten Baumstamm hervorlinsten, und sofort wieder hinter diesem verschwanden, damit er sie nicht bemerke.

Und wirklich hatten sie alle Glück: der große Störenfried zog gruß- und geruchlos weiter, ohne den Wunder-Samen zu entdecken und ohne das Tor zu durchschreiten, das hier ganz weit offen steht in die Welt der uneingeschränkten Klarheit, des Neubeginns und der Veränderung und das sie dir und mir beschützen und offenhalten. Kaum war der 16-Ender vorbeigezogen, kamen alle hervor und die Gemütlichkeit und Geselligkeit kehrte zurück. Sie wussten, gleich würde die Sonne hervorkommen und das Leben in Leichtigkeit weitergehen.

© 2024 Manuela Hoffmann-Maleki (Letteratour) – Ich. Einfach unver-besserlich.

alte Liebe, ganz rostig

Versuch mir zu sagen “ich liebe dich nicht”

Es war Sommer, Sommer in der Stadt. Wie im Cliché aus den Songs aus meinem bayerischen Umfeld flanierte ich an der Münchner Leopoldstraße entlang, tropfte mit meinem Eis kleine Pfützchen auf den Boden, und meine luftige dunkelrosa Hose unter dem hellrosa Blazer flatterte ein bisschen im lauen Abendwind. Meine Haare wehten hinter mir wie eine Wolke und ich wusste, dass ich auf meinen hohen Schuhen der Traum manches Mannes schlafloser Nächte war. Alles an mir war wohlgewachsen und saß genau an Ort und Stelle.

Ich setzte mich wie ausgemacht auf einen freien Platz im Café unter den Bäumen und beobachtete, wie teure Nobelkarossen vorfuhren und verbotswidrig parkten. Man konnte sich das ja leisten. Endlich kam mein Liebster angeschlendert. Seit neuneinhalb Monaten waren wir bereits zusammen. Lässig mit der Jeansjacke an einem Finger über der Schulter schlenkernd kam er heran. Er hatte so eine fantastische Figur, und seine grünen Augen erstaunten mich immer wieder mit dem vollen schwarzen Wimpernkranz. Er hatte herrlich lockige schwarze Haare, einen feschen Bart und wunderbar braungebrannten Haut. Es war mir so ein Bedürfnis, ihn immer und immer wieder wissen zu lassen wie toll ich ihn fand.

Er schaute nur alibimäßig in die Speisekarte, denn er wusste bereits, was er bestellen würde. Natürlich wieder die Penne al Gorgonzola. Immer dasselbe. Er konnte sich wirklich reinsetzen, so gut schmeckten sie ihm. Während wir einträchtig vor uns hinschnabulierten und ich ihn verliebt ansah und mich an seinem guten Aussehen ergötzte, bekam er plötzlich einen sehr ernsten Gesichtsausdruck. Und dann sagte er zu meinem Entsetzen: „Sag mir bitte ja nie wieder, du liebst mich. Ich kann es nicht mehr ertragen. Ich sehe es dir an, dass es gleich wieder aus deinem Mund kommt. Und das turnt mich so ab. Sag mir lieber, ich lieb dich nicht, dann ist alles in Ordnung. Übrigens, morgen fahr ich nach Pforzheim, dann komm ich so schnell nicht wieder.“

„Wieso, was ist in Pforzheim?“

„Meine Frau.“

„Du hast eine Frau?“

„Ja, und gestern ist unser Mädchen auf die Welt gekommen. Rosanna soll sie heißen. Ich muss hin und für die beiden da sein.“

„Euer Mädchen? Ist es von Dir?“

„Ja klar. Von wem soll es denn sonst sein?“

© 2024 Manuela Hoffmann-Maleki (Letteratour) – Ich. Einfach unver-besserlich.

Chipirones mit Salat (Tintenfischchen)

Ein Traum in Sepia

Pendecita saß in ihrem Stammlokal am Hafen. Sie war zwar erst eine Woche hier und schaute sich eigentlich erst mal alles an, aber hierher kam sie nun bereits zum dritten Mal. Sie wusste nicht genau, was sie herzog. Das Essen war absolut in Ordnung, der Kellner nett, aber nicht spektakulär gutaussehend, der Sonnenuntergang, der von hier aus herrlich sein müsste, jedes Mal bereits vorbei, wenn sie anrückte.

Barraquito

Schwelgerisch, schafsgesichtig, die Augen geschlossen sitze ich am Tisch, meinen Barraquito vor mich hin süffelnd. Löffelweise Elixier einfüllen, zuerst den Schaum. Dann stoße ich auf ein Stück Zitronenschale, knabbere es fast unmerklich an, in kleinsten Stückchen. Lukullisch, der Kontrast! Bis er brüllend grell und aufdringlich wird. Ich schnaufe kräftig durch und schüttle mich. Die süßen Reste der Mischung schlürfe ich tröpfchenweise vom Löffel – zuckersüße Kondensmilch lauert da in der untersten Schicht. Ein Binnendessert im Nachtischkaffee. Eine perfekte Kombination mit Tigerstreifen. Der kleine Schluck Alkohol im Kaffee wärmt. Einfach köstlich. Ich lecke mir genießerisch die Lippen, lächle ganz beseelt.

Am Nebentisch klatschen Menschen über eine Darbietung, die ich nicht wahrnahm, weil ich so weggetreten war. Ich war mit meinem Getränk beschäftigt, dem vielschichtigen palmerischen Kaffeecocktail. Ich öffne die Augen und stelle fest, sie klatschen wegen mir.

Die Nachbarin, über mein offenkundiges Entzücken entzückt, bestellt „dasselbe, was die da drüben hat, bitte!“

Ob das auch das Richtige für die Frau des Pärchens im Bergsteigerlook ist? Jetzt schlürft sie. Gräbt. Nickt. Ihre Gesichtszüge werden sanft. Er trinkt einen normalen Kaffee und bleibt Realist. Ich glaube, jetzt gerade trennen sich ihre Wege. Er wird nie wissen, wohin das andere Tor führt, während jedoch ihr Gesicht sich zunehmend entspannt. Vielleicht aber wird sie ihm heute Abend noch Wunder bereiten. Sie schaut ihn so von der Seite an und lächelt schelmisch über einen Gedanken, von dessen Existenz er noch nichts ahnt.

Augen

The womanizer

Die neuen Schiffspassagiere kamen die Gangway herauf. Ihnen wurden ihre Kabinen zugewiesen. Lange bevor Amanda sich irgendwelche Gedanken über ihren Aufenthalt an Bord machen konnte, außer, dass sie eine Kabine ganz unten hatte und wo sie jetzt wohl als nächstes hinmusste, um wieder hinauf zu kommen, hatte Ciro, der Steward, beschlossen: Für die Dauer dieser Reise würde sie diejenige sein, an deren Seite er aufblühen werde. Er würde sie einwickeln, sein Feuer verstieben, sich unentbehrlich machen. Sie würde sich verlieben und jeden Abend auf ihn warten. In den freien Vormittagsstunden würden sie glückliche Stunden miteinander verleben. Wenn sie Landgang hatte, würde er schlafen. Alles wie geplant. Wie immer.

Da kam sie schon! „Einen Cocktail?“  fragte er mit seinem schönsten Lächeln und einem kaum merklichen Zwinkern. Fesch sah er aus. Akkurat geschnittene Haare mit einem bewusst hinzugefügten Touch von Lotterlook, traumhaft schöne Augen, tief, ein Wörterbuch. Sein Kapital. Und planmäßig blieb sie stehen und fragte „warum nicht? Was gibt’s denn Feines?“ Er wusste, er hatte gewonnen. Jedes Mal wurde es einfacher.

Ausblick von Santa Cruz durch die Gassen aufs Meer

Königlich

Heute findet ihr mich gemütlich beim Shavassieren (siehe mein Eintrag vom 10.12.24 – Oh Google, warum hast du mich verlassen). Ich hab mir das auch redlich verdient! Gestern hatte ich nämlich einen sehr langen und ordentlich anstrengenden Tag. Obwohl ich immer noch nicht fit bin, bin ich auch 6,7 km durch die Gegend getigert, und das ist für mich mit meinen Bewegungseinschränkungen schon an ganz kerngesunden Tagen super viel! Ich darf also mit Fug und Recht auf mich stolz sein und mich in meinem Ruhm suhlen. Oder so ähnlich.

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