Willkommen zu meiner Abendrundschau! Heute war ein vielseitiger Tag. Zunächst war ich wieder auf dem Flohmarkt in Argual. Dort traf ich mittlerweile ein paar bekannte Gestalten – ich wurde wiedererkannt und freudig begrüßt. Die ältere Dame von neulich wusste noch, wie ich heiße, diejenige, die die Kette für mich basteln wollte, hatte den Auftrag total vergessen (dafür habe ich wo anders eine ganz hübsche Kette gefunden und noch so einiges), und Leon hatte wieder seinen Kunststand, an dem ich dann heute auch wieder ein bisschen herumdilettierte. Wieder etwas Neues – diesmal Stempelabdrücke in die Bilder einpassen. Und morgen lauf ich ihm schon wieder über den Weg, und zwar absichtlich, da ist Aquarellkurs in der Caldera.
Auf dem Flohmarkt gab es diesmal einen Stand mit frischgepresstem Zuckerrohrsaft, der war super. Dafür hab ich auf den leckeren Toast verzichtet, denn ich hatte mir was zum Frühstück gekocht.
Neben dem Flohmarkt ist ein Museum, Casa del Conde – das Haus des Grafen. Es sollte gerade geschlossen werden, als ich kam, aber dann durfte ich doch noch hinein. Unten waren noch ein paar Möbelstücke einer vergangenen Zeit, oben eine Ausstellung. Eine private Kapelle hatte man hier auch im Haus. Praktischerweise musste man da drin vorbei, wenn man die Treppe hinunterging, also immer schön fleißig beten. Prayer to go.
Auf dem Flohmarkt hatte inzwischen eine Frau ihren SUV im Boden festgefressen. Wie sehr sie auch beschleunigte, flogen nur die Steine, es ging nichts mehr voran. Der Grund: Sie war einfach über einen Baumstumpf gefahren und hing nun mittig auf diesem. Vier Leute kamen auf meine Bitte, um ihr zu helfen, aber auch die konnten den Wagen nicht herunterheben. Ich hatte aber keine Lust, bis zum Ende der „Vorstellung“ zu warten. Man riet ihr jedenfalls, einen Abschleppdienst zu ordern, bevor sie den Auspuff abreißt.
Von dort aus fuhr ich zum Hafen und besichtigte die riesige Bauruine. Hier wurden die EU-Gelder im Meer versenkt. Es waren zwei ewig lange Bogenhallen als Wellenbrecher oder sowas gebaut worden, um einen für Kreuzfahrtschiffe geeigneten Hafen zu bieten. Man hatte aber nicht nachgemessen, wie groß so ein Kreuzfahrtschiff wirklich ist. Jedenfalls größer als der Hafen.
Diese Wellenbrecher sehen aus wie eine besondere Art von Wandelgang, mit einem rot-weißen Absperrband und Warnschild versehen. In diesem Lost Place fällt schon der Beton herunter, aber Ich habe mich trotzdem hinein getraut und etliche schöne Bilder gemacht. Ich sehe die vordere von diesen parallelen Bogenhallen ja nachts beleuchtet von meiner Terrasse. Wenigstens weiß ich jetzt mal, wie das aus der Nähe ausschaut. Dazwischen befindet sich ein enormer Platz, der vollkommen leer ist, man darf auch nicht mit dem Auto darauf fahren. Man könnte da zum Beispiel ein Konzert von den Rolling Stones abhalten.
Nach so viel Bewegung war der Strand dran, und oh Wunder – heute habe ich mich aufgerafft, ins Wasser zu gehen. Es war nicht mal schlimm kalt. Es war nur äußerst ungemütlich, hineinzugehen, und ganz schlimm für mich, wieder rauszukommen. Ich habe fast jemanden um Hilfe bitten müssen. Dabei waren keine hohen Wellen in Sicht. Es ist einfach so, dass ich auf Gestein nicht zurechtkomme und ein echtes Problem damit habe, im Gleichgewicht zu bleiben. Der kleinste Wellenhügel schubst mich schon um. Meine Füße haben danach laut geschrien. Sehr laut! Dabei war es grade etwas besser gewesen mit dem Fersensporn. In dem Film A Hard Day’s Night von den Beatles sagt George Harrison, die gezeigten Hemden seien richtige „Hauschüs“, abgekürzt für Hautabschürfer. So ging es mir heute auch mit dem Uferbereich.
Diese Eskapaden haben meinen Körper so erschreckt, vor allem meine Füße so zerschunden, dass ich danach sofort in einen tiefen, traumlosen Schlaf fiel – einer Ohnmacht nicht unähnlich. Das ist für meinen Körper ja das probate Mittel der Wahl: Schlafen oder wenigstens weggehen, wegfahren und wenn es schlimm ist – verreisen. Da ich heute bereits mein Tagesprogramm an Schritten erfüllt hatte, erfolgte also die Überwältigung durch Morpheus.
Das erinnert mich: in der Casa del Conde kam ich übrigens zu einer der Ausstellungen zu spät. Man war gerade beim Abhängen. Aber dann wurden mir alle Bilder, die bereits abgenommen waren, einzeln vorgeführt – quasi eine Privataudienz. Es handelte sich bei allen um Götter – künstlerisch inszenierte Aktfotografien von Modellen, die verschiedenste Götter in ihrer, sagen wir mal, natürlichen Umgebung darstellen sollten. Und hier hat mir abgesehen von Pachamama, der Mutter Erde bei den indigenen Völkern, der Gott Hades besonders imponiert. Der sah wirklich gut aus, wäre genau mein Typ gewesen, war ja auch der einzige Mann unter all den gezeigten Schönheiten. Für 135 € hätte ich ihn haben können.
Nach dem Sonnenuntergang, der wie immer traumhaft farbenfroh über dem Meer aussah, fand ich in einem neu entdeckten angrenzenden Restaurant einen Platz mit einem Blick auf dem massiven schwarzen Bergrücken, der einem riesenhaften Tier ähnelte, vielleicht einem Wildschwein, während der Rest des Tageslichtes sich gelb, orange, rot und lila im Wasser ertränkte – im Augenwinkel flitterbegrenzt von der noch weihnachtlich nachklingenden Dekoorgie.
Ich bestellte nach Empfehlung des Kellners. Meine Fischsuppe war gekrönt von einer schwarzen Muschel und einem einbeinigen Garnelenpapa. Das Restaurant schien gehoben zu sein, denn das Besteck samt Serviette wurde nach der Vorspeise ausgetauscht. Auf Servietten legt man hier gemeinhin wenig Wert. Mein lässt anderswo den Gast auch seine Garnelen in Schale trotz der Tomatensoße serviettenlos mit den Fingern herausbrechen. Wenn man selber keine Taschentücher dabeihat, hat man hoffentlich einen passenden Rockzipfel. (Bei uns zu Hause gab es sogar eine Fingerbowle. Ohne Serviette ging gar nichts.) In diesem Restaurant erfreut mich ein Grätenteller neben meiner ganz ausgezeichneten Dorade. Aber auch diesmal ist der Kopf der Länge nach zerteilt; das scheint hier usus zu sein.
Auf der Karte tummeln sich merkwürdige Dinge wie „Zusatzfunktionen“ (z.B. Knoblauchbrot und Mayonnaise) und eine Rubrik namens „Du gräbst“. Darunter steht Benjamin, Codorniú und Apfelwein. Da muss ich erst mal mein Smartphone befragen, was das wohl sein könnte. Ich schlage nach und stelle fest, dass Codorniú ein Cava, also Sekt ist. Stimmt, cava könnte man auch anders übersetzen: er gräbt. Du gräbst heißt cavas, und das wiederum heißt auch Sektsorten. Oooooh je. Ich sage dem Kellner, dass die Übersetzung äußerst fragwürdig ist. Er sagt: „Ja, schlecht gemacht. Kein Problem.“
Zum Nachtisch gönne ich mir heute einen Polvito nach Uruguayischer Art. Das stellt sich als ein dreischichtiges Dessert mit Bröseln, Creme und Meringue-Stückchen heraus. Wäre super, wenn man sich die Hälfte Zucker gespart hätte. Der Nachtisch wird übrigens auf einer Serviette und mit einem Extrateller mit Extraserviette geliefert. Ihr ahnt es schon: die Servietten kamen mich dann teuer zu stehen. Das war jetzt jedenfalls das kostspieligste Essen, was ich bisher hatte. Naja, da das Weihnachtsdiner ja nicht ganz so lukullisch ausgefallen war, hatte ich es dann halt heute. Frohes Fest! Die Weihnachtsdeko war ja noch da.
© 2024 Manuela Hoffmann-Maleki (Letteratour) – Ich. Einfach unver-besserlich.
Martina
Eine ganz neue Seite an Dir “ständiges Zuspätkommen”
Und wie schon geschrieben der Most auf der Getränkekarte ist ziemlich teuer
Manuela Hoffmann-Maleki
Ein guter Witz! Hier herrscht eine gewisse Mañana-Mentalität. Kommt mir sehr entgegen. 😅