Mindestens 2 kg schwere Bananenblüte

Wie man zwischen Kokon und Bananenblüte den Faden nicht verliert

Nachdem ich heute morgen wieder ein bisschen den Pinsel geschwungen habe, um eine Kritzikratzi-Schnellskizze, die ich am Hafen in einer Minute nach Anweisung erstellt hatte, aufzuhübschen, fuhr ich ratzfatz los, um in El Paso ins Seidenmuseum zu gehen, denn der Wetterbericht war sehr wenigversprechend, und da wollte ich gerne was zu tun haben. Die seltsame Straße, die mein Navi mich da hochführt („folgen sie 800 m dieser Straße“ – die schnurgerade sehr steil nach oben geht und tausendundein tiefes Schlagloch hat), schreckt mich inzwischen nicht mehr. Runterwärts bin ich sie heute sogar freiwillig gefahren, obwohl es andere Wege gab. Die von der Autovermietung hatte mir gesagt: „Unbefestigte Straßen dürfen sie doch nicht fahren!“ als ich ihr berichtet hatte, dass es hier so viel Serpentinen und schlechte Straßen gibt. Ich bin halt ein Flachland-Stadtkind. Bei uns kommt sowas nicht vor, dass man über 800 m im ersten Gang bergauf kriechen muss. Befestigt sollte man diese theoretisch asphaltierten Straßen schon nennen. Sie sind halt wohl einfach jahrzehntelang nicht mehr repariert worden.

Auf dem Weg nach El Paso sah ich mal wieder den nunmehr leeren Vulkanschlund in seiner ganzen rötlichen Pracht. Bei Ankunft gab es dann weit und breit kein Museum, wo mich das Navi hingeschickt hatte. Ich hatte ganz schön wild geparkt, allerdings inzwischen mit schlechtem Gewissen, denn hier wusste ich, dass man das nicht soll und was es kostet… Ich musste dann jemanden fragen, wo das Museum denn sei, und ein Bauarbeiter geleitete mich dorthin. Ob die Bauarbeiter in Ingolstadt auch wissen, wo da ein Museum ist, frage ich mich?

Mal wieder der Vulkan
Mal wieder der Vulkan

Im Inneren befindet sich im oberen Stockwerk der Ablauf der Geschichte, wie die Seide zu uns kam und schließlich nur noch in El Paso als letzter Bastion gewonnen und gesponnen wird. Alles begann mit der Entdeckung, dass man aus einem Kokon einen Faden gewinnen kann. Das passierte, weil Hsi Ling-Shi, der Kaiserin von China, 2600 vor Christus zufällig ein Kokon in den heißen Tee gefallen war und sich dann da drin zerfaserte. Sie muss eine clevere Person gewesen sein, dass sie gleich erkannte, dass man mit diesem Faden vielleicht was Interessantes anfangen kann. Dann kam die Seide über die Seidenstraße durch sehr viele verschiedene Länder und über Städte mit illustren Namen zu uns, außerdem auch über den Seeweg.

Das Museum enthält viele Exponate, Dinge und Kleidungsstücke, die aus Seide gemacht wurden, sowie Muster von verschiedenen Stoffarten, die Seidenfäden benötigen. Alles etwas schummerig, denn bei zu viel Licht würde die ganze Pracht zerfallen, weswegen man auch nicht mit Blitz fotografieren darf.

Auf Paneelen sind genau die Arbeitsschritte beschrieben, wie ein Taschentuch hergestellt wird. Man braucht ungeheuerliche Mengen an Seidenraupenkokons und wahnsinnig viel Zeit. Ein einzelnes Taschentuch braucht neun Stunden in der Herstellung. Bei mir dümpeln die schönen alten, von meiner Tante bestickten Taschentücher in großen Stapeln in der Schublade – Papier ist so viel praktischer, nässt einem nicht die Hosentasche voll, muss nicht gewaschen und gebügelt werden…

Es wurde auch ein Film, gefühlt in Echtzeit, gezeigt, wie Seide gewonnen wird (leider ist der Anfang, den ich sehr spannend fände, aber ganz kurz geraten) und wie der Faden dann von Hand gezwirbelt und getrietzt wird, dass da brav ein schönes verwendbares garnartiges Material entsteht. Die Raupe da drin im Kokon wird erstmal ungefragt tot gekocht, bzw. Tausende von Raupen ereilt da gleich dasselbe Schicksal. Und dann geht die Wickelei tausendfach los. Man braucht unglaublich viel Geduld. Wäre was für die Mönche in einem Zenkloster. Bis da mal ans Färben gegangen werden kann, dauert es schon unendlich lang.

Gefärbt wird nur mit natürlichen Substanzen, die auf der Insel wachsen. Auch in den Vitrinen habe ich kein scheeles Grün gefunden, was ja so unglaublich schön ist. Ich hatte als Kind ein solches zerschlissenes großes altes Seidentuch und auch ein lilanes, das wie ich heute gesehen habe, mithilfe einer Orseille genannten Flechte gefärbt wird. Dass das giftgrüne giftig ist, hat mir keiner gesagt, wahrscheinlich auch nicht einmal gewusst. Ich habe oft damit gespielt, weil ich seine Farbe und den Glanz so wundervoll fand.

Schließlich wird das Ganze dann auf den Webstuhl gespannt, was wiederum ewig dauert, da es ja so unendlich feine Fäden sind. Und dann fliegt das Schiffchen hin und her, als hätte es ein Eigenleben und wäre kein Sklave der Schwerkraft. Man hat früher nur schmale Bänder oder 70 cm breite Bahnen gewebt.

Im unteren Bereich des Museums sind zwei Damen damit beschäftigt, Seide zu verarbeiten, außerdem sind da die Färbesubstanzen ausgestellt und die gefärbten Seidenfäden zu bestaunen in ihren wunderbaren Farben. Zum Auffressen schön!

gefärbte Seide und Färbemittel (Orseille und Zwiebel, samt Resultaten), Webstuhl
Gefärbte Seide und Färbemittel (Orseille und Zwiebel, samt Resultaten), Webstuhl

Draußen freute ich mich über das Fehlen eines Strafzettels und besichtigte ein Kirchlein mit einer Madonna, die einer Erscheinung gleich überirdisch leuchtete, zumindest auf meinen Fotografien, in echt, sah sie etwas dezenter aus, aber auf dem Bild kam es jedes Mal so überwältigend heilig raus.

Ansichten aus El Paso, Kirchen, nettes altes Haus, nettes neues Haus und Blick auf Dattelpalmensegen
Ansichten aus El Paso, Kirchen, nettes altes Haus, nettes neues Haus und Blick auf Dattelpalmensegen

Eine größere Kirche war geschlossen, und so schaffte ich es genau um 14 Uhr noch, bei dem Bioladen unten anzukommen, der vor meiner Nase schloss (hier ist ja nachmittags wegen der Siesta immer alles geschlossen), aber als die Frau sah, dass ich zu ihr wollte, machte sie nochmal auf, und nach mir kamen gleich nochmal 4 Leute hinein. Leider entdeckte ich kein exotisches Obst bei ihr und kaufte anstandshalber ein Brot, was ich dann gleich bereute, weil es so extrem hochpreisig war.

Rote Bananen, 1-Minuten-Hafenbild (Palmen) und Kleinkindbild
Rote Bananen, 1-Minuten-Hafenbild (Palmen) und Kleinkindbild

Beim Hipermercado, also dem riesengroßen Einkaufsmarkt, fand ich auch nichts Besonderes. Immerhin gab es rote Bananen, die wollte ich auch mal probieren. Danach ging ich essen. Ich bestellte nach einem Bild und fragte dann hinterher, was das jetzt eigentlich gewesen sei. Es war ein Rührei mit unglaublich vielen dunklen Fleckchen drin. Die Fleckchen waren, wie sich dann mithilfe der Übersetzungsfunktion herausstellte, eine spezielle Blutwurst aus Burgos. Hat trotzdem gut geschmeckt. Während des Wartens sah ich aus dem Augenwinkel einen Mann mit einem niedlichen Kleinkind vorbeigehen, so hab ich versucht, das Kind aus dem Gedächtnis zu zeichnen bis mein Essen kam.

Revuelto con morcilla de Burgos. Hättet Ihr sicher auch genau gewusst, dass das Rührei mit Blutwurst nach Burgos-Art ist.
Revuelto con morcilla de Burgos. Hättet Ihr sicher auch genau gewusst, dass das Rührei mit Blutwurst nach Burgos-Art ist. Und frittierten Kochbananenstreifen.

Unterwegs nach Hause kam ich an der Bananenfabrik vorbei und wollte mal nachfragen, ob die vielleicht eine Bananenblüte für mich haben. Nachdem der Bananenblütentee ja gut gegen Husten geholfen hatte, wollte ich noch mehr davon als Vorrat für Deutschland. Aber in der Fabrik wusste keiner, dass die Bananen überhaupt eine Blüte haben. Die kriegen die Stauden geliefert, verpackt in Mülltüten, und da ist keine Blüte mehr dran. Ich musste dort aufpassen, dass ich nicht von enormen Containern erschlagen werde, die mit Kran und riesigem Gabelstapler durch die Gegend gehievt werden. Am Ausgang war ein großer Container mit Abfällen aus der Bananenverpackung. Da lagen auch mehrere Kubikmeter grüne Bananen drin. Die waren denen wohl zu grün, dabei würden die mit der Zeit auch gelb. Man hätte seinerzeit etliche Bürger der neuen Bundesländer damit glücklich machen können. Wenn ich denke, wie mein Cousin aus der damaligen DDR mich besucht hat und täglich wirklich kiloweise fast faule Bananen und Kiwis gekauft und gemampft hat. Sicher gibt es auch hier Leute, die die Früchte gerne genommen hätten. In einer Woche wären die ja auch genießbar.

Abfall der Bananenfabrik
Abfall der Bananenfabrik

Gegenüber von der Fabrik sah ich eine Bananenplantage, und herausfordernd hing eine welkende Blüte straßenseitig heraus. Da musste ich ihrem Ruf nachkommen und habe sie mir abgebrochen. Sie wiegt wahrscheinlich zwei Kilo.

Wieder daheim hatte ich einen Tanzzoom, in dem die spannende Frage gestellt wurde, wie wohl ein Duft sich bewegt, oder auch wie man einen Duft tanzt. Hierzu habe ich einen Schnipsel geschrieben, weil ich das ausloten wollte. Wenn Ihr Lust habt, könnt Ihr den ja nachlesen. Wie bewegt sich ein Duft? Ich selbst habe an meiner Bananenblüte gerochen, um zu überlegen, wie man den Geruch tanzt. Das ist ein Geruch, der irgendwas mit Kindheit zu tun hat, stark pflanzig, leicht unangenehm, so als wäre es vielleicht giftig oder bitter, aber es zieht ein Aroma von wärmender Sonne auf Blättern der Gartenwelt im Geiste auf, und das kenne ich eher aus meiner Kinderzeit, als ich mit dem Garten auf du und du war.

Ich habe dann wieder den Impuls gehabt, dass ich als Kind so viel gehüpft bin, aber bin auch heute wieder am Hüpfen gescheitert. „Tolle Hüpferung“ hatte der kleine Hase den großen bewundert im Buch „Weißt du eigentlich, wie lieb ich dich habe?“ Sowas vergisst man nicht. Bei der Frage, welchen Sinn ich wieder stärken und mehr fördern möchte war es mir dann ein Leichtes zu antworten: 1) den Tastsinn (bin schon so lange von zu Hause weg, da kriegt man Hauthunger) 2) den Hüpfsinn und 3) den Unsinn (vielleicht der 7. Sinn).

© 2024 Manuela Hoffmann-Maleki (Letteratour) – Ich. Einfach unver-besserlich.

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  1. ….wieder mal ganz Manuelastil, lustig, ehrlich und man muss einfach weiterlesen bis zum Schluß.
    Danke meine Liebe u. in diesem Jahr wünsch ich mir so eine verrückte Story von unseren 2 Wochen bei Igor.

    • Manuela Hoffmann-Maleki

      Danke für diese wertschätzenden Worte! Gern schreib ich was über die Kroatienreise und die Igorzeit!

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