Über die letzten beiden Tage darf ich berichten, dass ich wieder ganz zufrieden mit mir bin. Den bereits angenutzten Shavassiertag hatte ich noch mit einem Neu-Bezug von Judiths Spezialbett auf der Terrasse weitergeführt. Andere Leute bringen als Souvenirs von fremden Orten handwerklich begeisternde Dinge mit, ich mache dies im Sinne des Wortes, aber irgendwie doch ganz anders. So brachte ich damals aus Athen einen Engländer – nein nicht missverstehen, ich meine die Zange! – und einen Küchenvorhang aus Holz nach Hause, und diesmal kam ich von Santa Cruz zurück mit einem Inkontinenzbettlaken und einem Malerteppich (gegen Tropfflecken beim Pinseln). Mit solchen ist nämlich das Krankenhausbett oben auf der Terrasse ausgestattet, um sich gegen die Witterung zu behaupten. Nur hat es hier letzthin so derart ge-wittert, dass die nur noch am seidenen Faden in Fetzen hingen. Nun ist alles so gut wie neu, tschakka!
Als es Abend wurde, hatte ich dann doch genug des Nichtstuns (abgesehen vom Blogschreiben) und fuhr an den Hafen. Dort setzte ich mich mit meinen neuen Pinselstiften und dem Aquarellpapier auf eine Mauer und malte in nur zehn Minuten den Sonnenuntergang ab. Es zeigte sich, dass man offenbar nur beherzt irgendwo in Windeseile im Leopardenmantel pinseln muss und schon wird das, was man da produziert von den Vorbeigehenden mit Ah und Oh bewundert! Qué bonito! – Echt jetzt?
Na gut, wenn ihr meint – ich trenne mich gerne von meinem althergebrachten Makel, die letzte in einer Reihe von Künstlern zu sein. In meiner Familie hatten die alle Talent en masse. Der Opa, seine Brüder, seine Schwester – alle malten genial schön und perspektivisch korrekt, und außerdem waren sie konzertreif am Flügel. Meine Oma ernährte die Familie im Krieg durch das Malen ihrer Ölbilder, die sich wie die warmen Semmeln verkauften. Mein Onkel hatte ein echtes Auge für die Vereinfachung des Gesehenen in Van-Gogh-stilige Bilder. Meine Mutter hatte Modezeichnerin gelernt. Mein Sohn wurde als Wunderkind im Kindergarten gehandelt, weil er so genial zeichnete und rechnete (mein Vater war ein Mathegenie). Danach hat er sich musikalisch unglaublich entwickelt. Der andere Sohn hat früher auch sehr nett gemalt und sich ebenfalls der Musik verschrieben.
Dann kam der Zaun, dann kam der Baum, dann kam die Kuh, dann kam die Katze, dann kam der Hund, dann kam laaange nichts… und dann kam ich. So. Und jetzt hole ich auf. Es darf werden! Wenn man in einer Familie diejenige mit dem wenigsten Talent ist, heißt das ja noch nicht, dass man absolut gar nichts kann, sondern dass die Messlatte halt zu hoch hängt. Ich häng die jetzt mal ein paar Meter tiefer und dann erreiche ich sie auch. Jedenfalls erdreiste ich mich, daran zu arbeiten.
Nach meiner wilden Pinselei setzte ich mich an einen Tisch zu einem weiteren Tintenfischgericht und schrieb dort gleich drei Geschichten, inspiriert durch das Geschehen um mich herum und den Tintenfisch. Wenn ihr Euch auf meiner Webseite oder der alten Webseite letteratour.beepworld.de/ umschaut, findet ihr vielleicht was.
So war ich trotz Schwäche an diesem Abend bereits wieder in meinem Element, und gestern ging es mir endlich auch körperlich wieder besser. Dank einer Postkarte, die ich irgendwo mitgenommen hatte, kam ich auf die Idee, zum Mosaikgarten La Glorieta in Las Manchas zu fahren. Das war eine sehr gute Idee. Es ist wunderschön und friedlich-idyllisch, was da alles mit Mosaiksteinchen am Boden, auf Bänken, auf Säulen und dem Brunnen gemacht wurde – alles ist voller fröhlicher Farben und Motive. Entworfen von dem Künstler Luis Moreira und zwischen 1993 und 1996 fertiggestellt, vervollständigt mit wundervollen kanarischen Pflanzen, großen Kakteen und Sukkulenten und natürlich der überall dominanten Lava, ist dies wirklich eine kleine Oase der Freude. Es gibt dort auch eine kleine farbenprächtige Bühne, auf der bestimmt immer mal wieder schöne Musik gespielt wird.
Als ich da saß und wiederum sehr beschwingt, diesmal jedoch mit Aquarellfarben und Kohle, einen Eindruck des Gesehenen aufs Papier brachte, lernte ich ein sehr nettes Pärchen kennen, die das Bild hoch lobten und denen ich von meinem Trip nach Poris de Candelaria berichtete. Durch sie erfuhr ich wiederum von der Möglichkeit, hier ums Eck in die unterirdischen Lavagänge einzusteigen. Das triggerte mich natürlich ungemein, und da musste ich hin. Im Weinmuseum nebenan war es nicht, dessen Besuch habe ich mir auch aufgrund des für Weinverkostung eher ungünstigen Zeitpunkts verkniffen und folgte meinem eingebauten Navi, das mich anstandslos über die Lavafelder nach oben geleitete, wo sich die Straße in einer Lavawüste verlief, eben da, wo der Ausbruch von 2021 alles zerstört hat. Ein wenig entfernt kam ich dann jedoch an einen Wegweiser und fand somit das Museum Caños de Fuego (Feuerröhren).
Wie es das Schicksal so wollte – genau 7 Minuten nach meiner Ankunft sollte die Führung stattfinden. Die war voll, aber der Mann hatte Erbarmen, und so durfte ich mit. Insbesondere für ein spanisches Kind mit Eltern opferte er sich sehr auf und erklärte diesem sehr anschaulich auf Spanisch, was hier geboten war. Die anderen 19 Besucher standen sich derweil die Beine in den Bauch in der Höhle, die man nach zwei Minuten bereits zur Gänze inspiziert hatte. So waren wir hier eine Stunde auf sehr kleinem Raum gefangen, und ich habe wesentlich spannendere Höhlen gesehen, zum Beispiel auf Mallorca (Cuevas del Drach und andere).
Aber diese hier war ja auf andere Weise entstanden. Die Lava hatte sie bei einem Ausbruch des Vulkans San Juan 1949 geformt. Wenn das Magma aus der Erde austritt und zu Lava wird, bewegt diese sich sehr langsam vorwärts. Hier auf der Insel dauerte es das letzte Mal eine Woche, bis sie sich mit dem Meer unter Zischen und Brausen vereinte, eine unheilige Allianz… Über der Lava bildet sich dann eine Kruste, die die Lava im Inneren heiß und fließfähig hält, während oben drauf eine Art Dach entsteht. Später hat sich dann die Lava entleert, aber das Dach bleibt bestehen, und somit diese Höhlengänge darunter. Man kann aber nur zwei davon besichtigen. Dieses hier war die sogenannte Glashöhle. Die Stalaktiten bestehen hier aus Lavaspritzern. Darunter entstehen dann irgendwann in grauer Nachzeit Stalagmiten durch calziumkarbonathaltige Wassertropfen, die von der Decke rieseln.
Tatsächlich war mein Mantel auch ganz durchweicht, als ich wieder nach oben durfte. Der Vortrag war zwar lustig und gut, aber der englische Text blieb hinter dem auf Spanisch Erzählten um ca. 60 Prozent zurück, und ich war noch KO und konnte nicht so lange stehen. Der Guide war dann auch ob meiner mangelnden Dankbarkeit, bei der Führung dabeisein zu dürfen, sichtlich enttäuscht, denn ich hatte es als einzige gewagt, mich auf einen Felsklotz zu setzen, während er sprach. Das Lavafeld um das Museum herum war jedoch total interessant und bedrückend, eine Art Marslandschaft in schwarz. Letzten Winter hatten wir schon so eine Marslandschaft auf Teneriffa am Berg Teide gesehen, allerdings in Weiß. Glaubwürdige Filme über fremde Welten kann man in solchen Gebieten sicherlich drehen.
Auf dem Rückweg, auf den ich mich frei Schnauze stürzte, durchfuhr ich auch diesmal ohne mein durchgeknalltes Navi sämtliche Lavagebiete des neuen Vulkans, schlug absichtlich Wege ein, auf denen ich noch mehr Lava zu sehen bekam. Eine fremde Welt, unwirklich und faszinierend, aber menschenabweisend. Dennoch ist der Mensch mit der Kultivierung dieser Flächen zugange. Weiter unten hat er es bereits geschafft, die fruchtbaren Materialbestandteile für den Obst- und Gemüseanbau zu nutzen. Da ist alles mit immens langen weißbetuchten Zelten verschandelt. Innen drin mag es ja grün sein. Von außen ist das keine Augenweide.
Nach einem wiedermal weniger erfreulichen Schnellschussimbiss auf dem Hauptplatz von Tazacorte (drei Tapas, von denen ich „bitte nur ein klein wenig“ bestellt hatte und drei überbordende Teller bekam, wovon aber nichts gut war) war ich rechtzeitig zu zweieinhalb Stunden Schreibzoom zu Hause und kreierte mit Anregung mal wieder Geschichten (ebenfalls auf den besagten Seiten zu finden).
Mein Resümee der Raunächte war auch gefragt. Ich habe das sehr kurz und knapp gehalten, denn ich hatte bereits im Laufe dieser Tage jeden Tag ein Wort als Tagesessenz abgeliefert. Nun habe ich die sperrigen Wortkreationen à la Lavatoleranz, Schnipselflow, Ad-absurdum-Führung in einer buntschwarzen Kreativitätsimplosion ganz runtergebrochen auf eine extrem reduzierte Form – das Motto fürs neue Jahr: Es darf einfach sein. Hier ist mein Machwerk also – ihr wisst ja, die meiste Zeit war ich einfach platt auf der Nase gelegen und hatte Hustentornados von mir gegeben.
Es werde Licht
Die Schwärze quäle mich nicht
Ich kritzel
Und schnipsel
Hab Meerweh
Und weniger Weh
Es beutelt mich
Und legt mich nieder
Bin schwach auf der Brust
Absurd wird das wieder
Dann erfind ich mich neu
Dem Wunschzettel treu
Mit Jarka, die inzwischen wieder zuhause angelangt ist, habe ich weiter regen Kontakt – eine verwandte Seele – wie schön! Und wir manifestieren uns gerade einen gemeinsamen Mosaikkursurlaub in Kroatien. Und vielleicht noch mehr. Und ich sage: Universum funktioniert!
© 2024 Manuela Hoffmann-Maleki (Letteratour) – Ich. Einfach unver-besserlich.
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