Gestern genoss ich den Frieden auf dem Berg Time, den ich in etlichen Serpentinen mit meinem Fahrzeug erklommen hatte. Beim Weggehen zeigte ich mich noch dezent gekleidet, denn die Wohnungseigentümerin wäre z.B. nicht so scharf auf eine Punkerin aus London, sondern stellt sich eine verantwortungsbewusste Person vor. Verantwortungsbewusst wirke ich ja im Allgemeinen. Aber ab und zu kehre ich zurück zu meinen Wurzeln, und so zog ich im Auto dann vor der Begegnung mit dem Berg meine Indianerfedern und meinen gefilzten Hexenmantel an. Am Aussichtspunkt stand ich dann zwischen Dutzenden anderer Leute mit wehendem Federschmuck.

Der neue Vulkan sieht aus wie eine Vulva

Ich versuchte ein Plätzchen zu finden, wo es nur mich und die Natur gab. Dort freute ich mich dann an der Freiheit, hier zu sein, ließ meine Blicke wie den Flug eines Adlers über das weite Tal bis zum Meer schweifen. Mit stolzer Haltung das Auge gerichtet in die Ferne, gebannt von der vulkanischen Wirklichkeit, die sich aktuell vielleicht vielmehr als freundliche Weiblichkeit darstellt, anstatt als gehässiger Geselle, denn der Vulkan sieht aus dieser Perspektive eher aus wie eine enorme Vulva: gespalten, klaffend offen, und friedlich erschöpft nach dem großen Orgasmus. Die Feinheiten einer passenden Geschichte sich auszudenken überlasse ich dem/r Leser*in, der/die sich gerne ausmalen darf, welche Art von Kissenschlacht in diesem grünen Bette stattgefunden hat.

Aus meinem Haar hingegen flogen die Vögel der Unruhe und der Geruch der Enttäuschung der letzten Wochen, stoben gehen Himmel und befreiten sich und mich. Die Menschen nahmen mich mit Freundlichkeit wahr und handelten, als sei mein Outfit eine Selbstverständlichkeit, die jedem auf der Insel hier zusteht.

der Blick vom Aussichtspunkt mit Vulkan und schwarzen Lavaflächen

Später, wieder daheim, beobachtete ich ohne Möglichkeit, Fotos zu schießen, da mein Akku keine Lust da drauf hatte, bei meinem Zoom, wie sich der Himmel überirdisch blau färbte und einlud, den Blick auf ihn zu fixieren und sich mitnehmen zu lassen in das Zerfließen der Wolken, die „Vercirrung“ der Dunstschleier in luftiger Höhe, während die Sonne sich verabschiedete und einen letzten plötzlich aufflackernden Feuerglanzgruß herüberschickte.

Wolken stapelten sich über den weißen Würfeln des Orts, durchsetzt mit einigen bunten Bauklötzen, die das Ensemble zu einer freudigen Angelegenheit mit kindlich-fröhlichem Charme werden lassen, über die das Auge mit Lust spazieren fliegt. Das Meer hingegen wirkte rau wie ein alter Holztisch, der zu lange im Regen und Wind gestanden hat – ganz in der Ferne durchzogen von flachen Bahnen, vielleicht den Schiffen der Vergangenheit.

Blick über die würfelförmigen Häuser von Tazacorte

© Manuela Hoffmann-Maleki (Letteratour) – Ich. Einfach unver-besserlich.