Nach meiner Ankunft trafen meine “Land Lady” Judith und ich uns erstmal im Ort und haben Kaffee miteinander getrunken und uns beschnüffelt. Ich roch nach Reisefieber und Angstschweiß, ganztags unterwegs sein und müden Augenlidern. Sie fuhr mir dann mit dem Blumen-Nachfolger-Motorrad voran zu dem Haus, in dem ich nun drei Monate wohnen werde. Für den Anfang reichte es, nur ein paar Zimmer gezeigt zu bekommen. Es ist schön da drin, sie hat es kreativ und liebevoll ausgestaltet.

Allerdings ist es ein bisschen enger als ich gedacht hatte. Aber das ist OK. Momentan habe ich noch kaum Platz, mein Zeug auszupacken, es liegt vorläufig am Boden und hängt an zwei Haken an der Wand. Überblick über das Mitgebrachte: eher Null. Überblick von der Wohnung aus: großartig. Vor meinen Fenster, wenn man etwas schräg kuckt, sieht man das Meer. Und man hört es, sogar ich, die keinen Regen mehr draußen vorm Fenster höre (falsche Frequenz). Die Bananenstauden auf der Terrasse sind gar keine, es sind Riesenstrelitzien.

Zur Ankunft bekam ich eine leckere Suppe kredenzt, die bereits eine Vorbotin der Reise meiner Wohnungsgeberin zu sein schien. In einer Woche düst sie ab nach Sri Lanka. Ihre Koffer sind aber noch leer.

Wir führten sehr interessante, befruchtende Gespräche miteinander. Wir sind zwei Tieferdenkerinnen, und sie ist jemand, die auch versteht, wenn es blumig wird, d.h. ich muss mich nicht so viel übersetzen wie sonst. Das ist großartig!

Andermorgens machte ich mir dann – frisch erfroren in der Dusche – erstmals einen Kaffee mit so einem Kaffeedurchpressgerät. Aß Feigen auf der Terrasse und später fuhren wir zu einem Lokal, in dem sie wohlgelitten ist. Sie spielte ihr altes Spielchen mit dem Kellner, dass sie ausprobieren muss, ob das Essen immer noch so fürchterlich ist wie sonst, und der Kellner hatte vollstes Verständnis für ihre missliche Lage und entschuldigte sich sehr für die bedauernswerten Verfehlungen des Küchenpersonals. Es war dann auch wirklich extrem fürchterlich. Leider war es etwas zu wenig. Und das Rezept hätte man auch gern gewusst. Heute gehen wir wieder hin.

Happi-Happi: leckeres Sandwich mit Rotkohl/Blaukraut und Schafskäse und Bowl mit allem möglichen

Im Lokal spielten wir ein Spiel, sowas wie Stadt-Land-Fluss, aber tatsächlich war es bei uns Täter-Opfer-Tatort usw. So entstanden direkt vier Kurzkrimis mit skurrilen Charakteren und außerordentlich absurden Geschichten. Wir hatten unseren Spaß. Leider haben wir das ganze mündlich betrieben, weshalb ich euch die Stories nicht vorsetzen kann, so dass euch die Lachtränen das Makeup verwüsten.

Danach trennten sich unsere Wege. Ich dachte leichtfertig, ich fahr mal hoch zur Wohnung, hole mir ein paar Sachen. Mein Navi meinte, einen einfachen Weg zu wissen. Ich hatte ganz sicher „mit dem Auto“ eingegeben. De facto waren das aber alles keine Straßen, in denen etwas wesentlich Raumfüllenderes als ein Motorrad fahren sollte. Wenigstens hat die freundliche Ansagestimme mich nicht auch noch über eine Treppe geführt, aber die Gässchen waren nur sehr geringfügig breiter als das Mietauto und zudem vollgestellt mit Blumenkübeln. In manchen, in die ich abbiegen sollte, standen Poller aus dem Boden. Ich habe tatsächlich neun Anläufe gebraucht, um zum Haus oben am Hang zu kommen. Schließlich landete ich auf einer Art Bundesstraße, von der senkrecht nach unten eine Art Feldweg voller riesiger Schlaglöcher Richtung Haus führte, wo ich Angst bekam, meinen Unterboden auf der Strecke zu verlieren. Aber immerhin kam ich dann tatsächlich an.

meine Füße im Sand, dazu mein grünes Gewand. Der Sand ist schwarz, und da liegt ein Stein im Weg

Mit Strandoutfit neu beladen ging es seltsamerweise völlig problemlos zur Ortsmitte (immer bergab, das war halt einfacher, und ich versuchte, nur die breiter wirkenden Straßen zu befahren) und von dort aus ein paar Kilometer den Berg entlang in der Richtung, von der ich wusste, da muss es sein. Nur direkt vor Ort dann ein Schild „Hafen, Strand“. Und so landete ich also auf der schwarzen Sandwüste, aus der sich Staub gen Himmel erhob. Ich lag einige Zeit da im Bikini (probierte aber nicht mal die Wassertemperatur, wiewohl auch ein paar Hartgesottene badeten) und kommunizierte mit den Daheimgebliebenen. Dann wurde es etwas frisch und so fuhr ich noch ein kleines Stückchen weiter.

Da waren nämlich viele bunte Häuser mit Sonnenschirmen draußen, die ich zu Recht aus der Ferne als Restaurants eingeschätzt hatte. Ich suchte eines aus und wollte mich setzen, aber eine Frau blickte mich sehr unverwandt an und lächelte mir zu, zwinkerte sogar. Da ich hier gar niemanden kenne, war mir das irgendwie komisch und ich zog noch zwei Lokale weiter. Dort genoss ich dann meine ersten Chipirones auf dieser Insel, das sind frittierte Tintenfischlein im Miniformat. Dazu die runzligen Kartoffeln mit Meersalz, eine Spezialität.

Während eines kurzen Besuchs des Innenraums wurde derweil flink vom Frischlingskellner mein Tisch abgeräumt, obwohl mein Getränk noch drauf stand, und so bekam ich ein neues und noch zwei Entschuldigungsschnäpse aufs Haus.

Beim Beobachten der Menschen stellte ich fest, dass es wohl hier zwei Sorten gibt: die einen, relativ spießig normal, und die anderen paradiesvögelige Aussteigertypen. Mit Klamotten so ähnlich wie meine. Ich saß da mit meinem Hexenmantel ganz der Norm entsprechend. Hernach sah ich zu, wie sie am Boden sitzend oder jonglierend in stark duftende Schwaden gehüllt musizierten bzw. sich im Takt bewegten und ein bisschen auf mitgebrachten Lärmwerkzeugen mitrasselten und klopften. Eine Vorstellung, die sich in ähnlicher Version bestimmt allabendlich wiederholt.

Chipirones und runzlige Kartoffeln, dazu ein Windlicht und ein bißchen Aussicht auf den Abendhimmerl

Dank Sprachanweisung für den Rückweg fand ich das Haus diesmal problemlos (wäre in der Dunkelheit auch noch viel übler gewesen, durch den Ort zu kreischen – solche Geräusche macht nämlich mein Mietauto manchmal, wie eine alte Trambahn, die um die Kurve schleift), und den Abend beschlossen wir nach ein bisschen Arbeit am Laptop mit einem sehr guten Gespräch auf der Terrasse in dem Wissen, die breite Schwärze da vor der Balkonbrüstung ist das Meer.

Happening am Kai, die Leute singen und tanzen, oder irgendsowas in der Art

© 2024 Manuela Hoffmann-Maleki (Letteratour) – Ich. Einfach unver-besserlich.