Im Radio hörte sie zufällig, dass heute der große Tag sein würde! Zum ersten Mal würden sie nach Amerika kommen! Bisher waren sie da noch nicht so sonderlich bekannt. Aber Emily wusste, dass Großes in ihnen steckte. Einmal gehört, und für immer verliebt! Gleich nach den ersten Tönen hatte sie das gewusst. Für die Stimme von George könnte sie sterben!
Und dann waren die auch noch alle so süß! Man wusste gar nicht, wer am tollsten aussah. Und lustig waren die angeblich! Und wahnsinnig schlau. Und sie hatten alle so schöne Haare! Hach, und wie sie sich sexy bewegten! Ihre Musik ging einem sofort in die Beine, da konnte niemand stillsitzen. Und jedes Wort, das sie sangen, war ganz speziell für Emily. Alles passte auf sie. In jedem Song steckte Liebe, und die erfüllte jede Faser in ihr.
Emily schaffte es, als erste am JFK-Flughafen zu sein. Sobald sie es gehört hatte, naja fast, aufbrezeln musste sie sich ja schon – war sie losgefahren, und das hatte bestimmt sonst noch niemand getan. Dachte sie. War aber ein Trugschluss. Sie stellte fest, dass außer ihr noch etwa 500 andere auch schon da waren, das war ja aber doch vier Stunden bevor das nächste Flugzeug aus England ankam! Genau wie sie, hatten sich alle anderen hübsch gemacht. Mit dickem schwarzen Lidstrich, hochtoupierten Haaren und in ihren nettesten Sachen standen sie da, und alle hatten nur den einen Wunsch: ihrem Liebling ganz nahe zu kommen!
Endlich war es soweit. Polizisten und Sicherheitspersonal war zu Hauf vorhanden, was an diesem Flughafen normalerweise nicht der Fall war, aber diese große Begrüßungsschar war den Ordnungshütern suspekt. Man musste mit allem rechnen. Und es waren inzwischen Tausende geworden. Emily stand aber wie durch ein Wunder in der ersten Reihe. Als das Flugzeug landete, übertönte ein Kreischkonzert aus Tausenden von weiblichen Kehlen den Turbinenlärm.
Es dauerte ziemlich lang, bis die vier endlich aussteigen konnten. Sie taten dies etwas unsicher, denn sie wussten nicht, ob sie nicht etwa von dieser riesigen Menge von hübschen Mädchen in kleine Stückchen zerfetzt und ins Album geklebt werden würden. Sie hatten aber Hoffnung auf das Gute im Menschen und wagten sich mutig die Gangway hinunter.
Fans hatten einen roten Teppich ausgerollt, und den schritten sie entlang unter dem Gejubel und kaum auszuhaltenden Geschrei der jungen Frauen. Es flogen Blumen und Schlüpfer, BHs und Teddybären, und manche hatten sich noch kreativere Sachen ausgedacht. Hunderte von Schildern mit Liebeserklärungen wurden hochgehalten, aber die Jungs beeilten sich, so schnell wie möglich hier wegzukommen.
Emily schaffte es, trotz der vielen Ordner, George am linken Handgelenk anzufassen. Überrascht drehte er sich zu ihr um und sah ihr lächelnd in die Augen. Dann legte er kurz seine andere Hand auf die ihre und sagte zu ihr ganz leise, so dass sie es von seinen Lippen ablesen musste: ”Thanks for your loving heart“
Dann war er weg, und auch die anderen waren verschwunden. Zurück blieben weinende Frauen, etliche waren auf den Boden gesackt, weil das alles zu viel für ihre Nerven war und mussten von Rettungshelfern hochgehoben oder gar weggetragen werden.
Für Emily war dies der glücklichste Augenblick in ihrem Leben, und heute noch, fünfzig Jahre später, erzählt sie ihren Enkeln davon mit einem fast überirdischen Leuchten in ihren Augen. Sie hatte monatelang ihre Hand nicht mehr gewaschen, da wo George sie berührt hatte, bis sie schließlich einsah, dass es so nicht weiterging. Zur Ed-Sullivan-Show, wo die Pilzköpfe dann auftraten, hatte sie keine Karten bekommen, aber sie hatte IHN gesehen, und er hatte ihr die Liebe im Herzen für immer verankert. Was wollte sie noch mehr! Ihre Freundinnen beneideten sie ein Leben lang.
Da George leider bald anderweitig vergeben war, musste sie wohl oder übel jemand anderen heiraten. Allerdings hieß auch er George, und sogar mit Mittelnamen Harry. Und er hatte dunkelbraune Haare, dunkle Augen und war lieb und einfühlsam wie ihr Idol. Gitarre spielen lernte er zeitlebens nicht, aber singen konnte er leidlich, denn auch er hatte eine schöne, ungewöhnliche Stimme. Emily lebte mit ihm im siebten Himmel.
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann spielt in ihren Träumen im Hintergrund auch noch heute For you blue: “Because you’re sweet and lovely, girl: I love you. Because you’re sweet and lovely, girl – it’s true, I’m living every moment, girl, for you. I loved you from the moment I saw you, you looked at me, that’s all you had to do….”
© 2024 Manuela Hoffmann-Maleki (Letteratour) – Ich. Einfach unver-besserlich.
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